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  3. Öl- und Gasembargo gegen Russland: Deshalb zögert die EU weiterhin

Wirtschaft EU-Außenbeauftragter Josep Borrell

Gelähmte EU? Deshalb zögert die EU weiter mit der härtesten Sanktion

Korrespondent Europäische Wirtschaft
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Quelle: WELT

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Die EU tüftelt am sechsten Sanktions-Paket – doch die härteste Waffe wird wieder fehlen. Die EU-Kommission hat die Hoffnung auf einen schnellen Importstopp für russisches Öl und Gas bereits aufgegeben. Putin gewinnt mindestens fünf Wochen Zeit.

Worum geht es

Die EU zögert weiter, die wirksamste wirtschaftliche Waffe gegen Russland einzusetzen: ein Importstopp für russische Öl- und Gaslieferungen. Zwar reißt die Diskussion über ein europäisches Embargo auf russische Energielieferungen nicht ab: Am Dienstag nach Ostern hatte beispielsweise Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire ein Öl-Embargo gefordert.

Die Europäische Kommission, die gerade an einem sechsten Sanktionspaket arbeitet, sieht aber im Moment keine ausreichende Unterstützung in den EU-Mitgliedsländern für ein vollständiges Embargo von russischem Öl und Gas. Das gelte auch für alternative Sanktionen wie beispielsweise einen Strafzoll auf russische Öl- und Gaslieferungen, sagte Josep Borrell, der EU-Außenbeauftragte, in einem Gespräch mit WELT und anderen europäischen Medien.

„Ein Importstopp für Öl und Gas oder ein Strafzoll wären wichtig, um Druck auf Putin aufzubauen und ihn an den Verhandlungstisch zu bringen“, sagte Borrell. „Aber im Moment haben wir in der EU keine geschlossene Haltung in dieser Frage.“ Auf dem nächsten EU-Gipfel werde das Thema erneut beraten und bis dahin werde die Diskussion weitergehen. Besagter Gipfel findet allerdings erst in fünf Wochen, am 30. und 31. Mai statt. Vorher erwartet der oberste Diplomat der EU offenbar keine Beschlüsse.

Denn gegen Importstopps wehren sich einige EU-Länder entschieden. Deutschland und Österreich, die einen Großteil ihres Erdgases aus Russland beziehen, haben sich deutlich gegen einen Lieferstopp für Öl und Gas ausgesprochen, bevor sie nicht ausreichend alternative Lieferquellen gefunden haben. Das Mantra der deutschen, aber auch der österreichischen Bundesregierung lautet: Die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen muss reduziert werden – aber so, dass es den betroffenen EU-Staaten nicht mehr weh tut als Russland.

Borrell frustriert über Mitgliedstaaten

Ungarn hat einen Importstopp kategorisch ausgeschlossen. Der jüngst wiedergewählte Ministerpräsident Viktor Orbán steht Russlands Präsident Wladimir Putin nah und hat auch die übrigen Sanktionen der EU gegen Russland nur halbherzig mitgetragen. Direkt nach seiner Wiederwahl hatte er mit Putin telefoniert. Er werde gegen jede Form von Energieembargo sein Veto einlegen, hatte Orbán jüngst erklärt; solch ein Schritt würde Ungarn „umbringen“.

Für Borrell ist das frustrierend. „Einige Mitgliedstaaten haben sehr klar gesagt, dass sie ein Embargo oder einen Strafzoll auf russisches Öl oder Gas nicht unterstützen würden. Das bedeutet, dass wir in der EU noch nicht die Einstimmigkeit haben, um ein Embargo oder einen Zoll zu diesem Zeitpunkt zu beschließen“, sagte der spanische Politiker. „Ein endgültiger Vorschlag über Embargo auf Öl und Gas ist deshalb momentan noch nicht auf dem Tisch.“ Außenpolitische Fragen müssen die EU-Staaten einstimmig beschließen; deshalb ist es so wichtig, dass zwischen den Hauptstädten Konsens über die nächsten Maßnahmen herrscht.

Grundsätzlich ist ein Öl-Embargo wahrscheinlicher als ein Importstopp für Gas, weil es den EU-Staaten leichter fällt, alternative Lieferanten zu finden. Viele Produzenten weltweit können zumindest mittelfristig ihre Produktion steigern. Zudem kommt bereits heute viel Öl auf Schiffen in der EU an, während das Gas weitgehend durch Pipelines fließt. Dadurch ist die Infrastruktur flexibler.

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Wie schnell sich neue Öllieferanten finden lassen, zeigt das Beispiel Deutschland: Die Bundesrepublik bezieht ein Drittel seines Öls aus Russland und ist damit auch in diesem Bereich abhängiger von Russland als die meisten anderen EU-Länder. Trotzdem hat die Bundesregierung erklärt, bis Ende des Jahres auf russisches Öl verzichten zu wollen. Wenn die Versorgung gesichert ist, könnte sie einem Öl-Embargo zustimmen.

Russland wehtun, ohne anderen Ländern zu schaden

Vor einem europäischen Öl-Embargo hatte am Donnerstag ausgerechnet die US-Regierung gewarnt. „Mittelfristig muss Europa ganz offensichtlich seine Abhängigkeit von Russland, was Energie angeht, reduzieren. Aber wir müssen vorsichtig sein, wenn wir über ein komplettes europäisches Embargo von etwa Öl sprechen“, hatte US-Finanzministerin Janet Yellen vor Journalisten auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds gesagt.

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Es gehe darum, Russland wehzutun, aber ein EU-Öl-Embargo „würde klar die Ölpreise weltweit steigen lassen und würde Europa und anderen Teilen der Welt schaden.“ Die USA selbst haben bereits ein komplettes Energieembargo gegen Russland verhängt – haben aber zuvor auch kaum Öl und Gas aus Russland importiert.

Die EU-Kommission drängt nach dem Besuch von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Ukraine stark darauf, die russischen Energieexporte nach Europa zu stoppen. Bereits in dieser Woche will von der Leyen den Mitgliedstaaten einen Vorschlag für ein sechstes Sanktionspaket machen. Darin soll es auch um Öl gehen – wenngleich nicht um einen sofortigen kompletten Importstopp, sondern um andere Maßnahmen.

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Derzeit werden in Brüssel eine Reihe von Alternativen diskutiert. Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat wiederholt einen Preisdeckel als eine Alternative zu Öl- und Gassanktionen vorgeschlagen. Die Öl-Kunden in den EU-Staaten wären dabei gezwungen, weniger Geld für das russische Öl zu zahlen, als Russland verlangt.

Beim Gas ist Einigung auf ein Embargo schwieriger

Führende Ökonomen befürworten zudem einen Strafzoll auf russisches Öl und Gas. Im Gespräch ist auch, Russland nur einen Teil des Geldes für die Öl- und Gaslieferungen zu überweisen und den anderen Teil auf ein Treuhänderkonto zu leiten, wo er eingefroren wird, bis Moskau den Krieg beendet. Möglich ist auch, nur bestimmte Sorten von Öl, die sich besonders leicht ersetzen lassen, zu sanktionieren.

Beim Gas ist eine Einigung auf ein Embargo grundsätzlich weitaus schwieriger, weil es länger dauert, alternative Quellen zu erschließen. Die EU-Länder seien gerade dabei, sich mit voller Kraft unabhängig von russischem Gas zu machen, sagte Borrell. „Die gesamte EU ist im Krisenmodus. Jedes Mal, wenn ich mit einem Außenminister eines Mitgliedslandes telefoniere und frage, wo in der Welt er oder sie gerade ist, antworten sie mir, dass sie gerade Gas einkaufen. Sie sind im Nahen Osten, im Kongo, in Algerien, irgendwo in der Welt und kaufen dort Gas.“

Der Chefdiplomat der EU geht davon aus, dass in den kommenden Tagen weitere Mitgliedsländer neue Vereinbarungen mit alternativen Lieferanten bekannt geben werden. Ende vergangener Woche erst hatte die niederländische Regierung erklärt, dass das Land bis zum Ende des Jahres unabhängig von russischem Gas und Öl sein werde. Das fällt den Niederlanden allerdings leichter als etwa Deutschland: In den Niederlanden, die selbst Gasvorkommen haben, machen die russischen Lieferungen lediglich 15 Prozent des verbrauchten Erdgases aus. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 55 Prozent.

„Die EU hat ihre Abhängigkeit von russischen Energielieferungen innerhalb weniger Wochen schon dramatisch reduziert, und das wird Putin sehr bald auch finanziell merken“, sagte Borrell. „Wir brauchen ausreichend alternative Lieferquellen für Gas, wenn wir auf russisches Gas verzichten wollen. Irgendwann wird es so weit sein, und dann wird Russland schmerzhaft spüren, dass die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft verloren gehen.“

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Der Chefdiplomat der EU gibt auch zu, dass die EU-Länder und die Union selbst zu naiv in Bezug auf Wladimir Putin waren. „Europa hat zu spät erkannt, wie gefährlich Putin ist“, sagte Borrell. „Wir hätten unsere Abhängigkeit von russischem Öl und Gas schon viel früher reduzieren müssen, und man kann zu Recht kritisieren, dass wir das nicht getan haben.“ Bereits als Putin im Jahr 2014 die ukrainische Krim annektiert hat, hätten die Europäer reagieren und sich andere Energielieferanten suchen müssen.

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