Deutschland kommt in der EU-Afrikapolitik Schlüsselrolle zu

Bereits im Vorfeld des Gipfels machte Bundeskanzler Olaf Scholz auf die Bedeutung des Gipfels aufmerksam. "Der afrikanische Kontinent braucht unsere Unterstützung für seine eigene ökonomische Entwicklung,” sagte Scholz gestern (17. Februar) vor dem ersten Treffen mit den afrikanischen und europäischen Regierungschefs. [GEERT VANDEN WIJNGAERT/EPA]

Von dem heute zum Abschluss kommenden EU-Afrika Gipfel erhofft sich die Bundesregierung einen Neuanfang in der Afrikapolitik. Dabei stehen insbesondere entwicklungs- und energiepolitische Interessen im Vordergrund.

Bereits im Vorfeld des Gipfels machte Bundeskanzler Olaf Scholz auf die Bedeutung des Gipfels aufmerksam.

„Der afrikanische Kontinent braucht unsere Unterstützung für seine eigene ökonomische Entwicklung,” sagte Scholz gestern (17. Februar) vor dem ersten Treffen mit den afrikanischen und europäischen Regierungschefs.

Der Bundesregierung könnte in den EU-Afrika Beziehungen hierbei eine Schlüsselrolle zukommen. Denn Deutschland gehört einerseits zu einem der größten Geldgeber des südlichen Nachbarkontinents, hat aber im Vergleich zu Frankreich und anderen EU-Staaten relativ wenige koloniale Altlasten in der Region.

„Insofern ist das deutsche Engagement nie in der Versuchung gewesen, sich so einseitig territorial zuzuordnen, wie das in Großbritannien oder in Frankreich entlang der Sprachgrenzen oder der vormaligen Kolonialzonen der Fall gewesen ist“, sagte Udo Bullmann, entwicklungspolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament gegenüber EURACTIV.

Deutschland ist bereits jetzt einer der wichtigsten Investoren und Geldgeber in Afrika. Laut einem Report des Beratungsunternehmens EY flossen zwischen 2016 und 2020 rund 8.5 Milliarden Euro an Direktinvestitionen in die verschiedenen Staaten Afrikas – immerhin halb so viel wie vom größten Investor in der EU: Frankreich.

Zudem ist Deutschland nach Zahlen der OECD der weltweit zweitgrößte Geberstaat bei der Entwicklungszusammenarbeit.

Das neue Flaggschiffprojekt der EU, über das im Zuge der sogenannten Global Gateway Initiative rund 150 Milliarden Euro in den afrikanischen Markt investiert werden soll, wird von der Bundesregierung daher ausdrücklich begrüßt.

Pandemiebekämpfung

Auf dem Gipfel drehen sich die Gespräche vor allem um die Bekämpfung der Pandemie und die gerechtere Verteilung von Impfstoffen. Bislang beträgt die Impfquote in Afrika mageren 10 Prozent, weit entfernt von dem 40 Prozent Ziel, dass sich die Weltgesundheitsorganisation für 2021 gesteckt hatte.

Aus Regierungskreisen heißt es, dass die EU auf dem Gipfel eine Impfstoffabgabe von 29 Millionen Dosen ankündigen wird – 21 Millionen sollen davon aus Deutschland kommen. Allerdings ist man damit weit entfernt von den rund 900 Millionen zusätzliche Impfdosen, die nötig wären, um die anvisierte Durchimpfung von 40 Prozent erreichen zu können.

Gleichzeitig versuchen die EU und Deutschland auch die weitreichenden Sekundäreffekte der Pandemie abzufedern.

„Wir drohen durch die Pandemie eine ganze Generation in Afrika zu verlieren, wenn wir uns nicht um Bildung kümmern. Von daher stehen öffentliche Infrastruktur, Bildung, Ausbildung und Erziehung im Fokus dessen, was wir strategisch angehen müssen“, betonte Bullmann.

Regionale Wertschöpfungsketten

Neben der Pandemiebekämpfung erhofft sich die Bundesregierung allerdings auch einen Richtungswechsel in der generellen Afrikapolitik. Der südliche Nachbarkontinent soll stärker in die globale Wirtschaft eingebettet werden und regionale Wertschöpfungsketten vertieft werden.

Bislang ist Afrika fast ausschließlich als Rohstoffproduzent in die Weltwirtschaft eingebunden, weshalb die „regionalen Wertschöpfungsketten erweitert und vertieft werden müssen“, so Bullmann.

Hierbei wird insbesondere auf den Ausbau von erneuerbaren Energiequellen gesetzt. Der afrikanische Kontinent hat gerade bei Solarenergie nämlich einiges an Potenzial zu bieten.

Zwar basiert der Energiemix in Afrika bislang hauptsächlich auf Kohle, Öl und Biomasse, laut Prognosen des Internationalen Währungsfonds soll sich dies jedoch in absehbarer Zeit ändern. Bis 2100 könnten rund 60 Prozent der Energieproduktion in Afrika aus Solarenergie stammen, so die Prognose.

Hier eröffnen sich für die Bundesregierung Pfade zur verstärkten Zusammenarbeit. Denn die überschüssige Solarenergie könnte zur Produktion von grünem Wasserstoff genützt werden – ein besonders in Deutschland heiß begehrtes Gut. Denn laut Prognosen der Bundesregierung wird Deutschland in Zukunft 40 bis 60 Prozent seines Wasserstoffbedarfs über Importe decken müssen.

Hier bietet sich eine „große Chance für Partnerschaften,“ betonte ein hochrangiger Regierungsbeamter im Vorfeld des Afrika-Gipfels. Daher setzt die Bundesregierung insbesondere bei der Wasserstoffproduktion auf den Technologietransfer nach Afrika.

Hier bestehe ein „gesundes Eigeninteresse“ der deutschen Industrie für Zukunftsinvestitionen auf dem afrikanischen Kontinent – entlang der gesamten Wertschöpfungskette, sagte der Beamte weiter.

Rivalität mit China

Die Interessenslage Deutschlands und der EU ist dabei auch deutlich vom Systemwettbewerb mit China geprägt. Mit der Investitionsoffensive „Belt and Road“ ist China bereits zu einem der größten Investoren in Afrika aufgestiegen.

Von der europäische Global Gateway Initiative erhofft man sich hier eine Trendwende, um gegenüber dem Systemrivalen China stärker aufgestellt zu sein.

Von deutscher Seite wird hierbei insbesondere das Infrastrukturprojekt in Ägypten als Blaupause für künftige Investitionen in der Region angesehen. Dort baut Siemens gerade mehrere Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken für den Personen und Güterverkehr.

„Das zeigt einfach, dass wir nicht darauf angewiesen sind, in den afrikanischen Staaten die Belt and Road Initiative Chinas alleine gelten zu lassen“, hieß es hierzu aus Regierungskreisen. „Wir sind da durchaus konkurrenzfähig.“

Dabei ist man von europäischer und deutscher Seite insbesondere darauf bedacht, nachhaltiger zu investieren und auch Komponenten der sozialen Gerechtigkeit in die Afrika-Investitionsstrategie einfließen zu lassen.

„Unsere Projekte müssen eingebettet sein in eine logische Entwicklungspolitik, zu der mehr gehört als die industrielle Investition, sondern auch Bildung, soziale Infrastruktur und kollektive Güter – vom Krankenhaus bis zur Schule“, betonte Bullmann gegenüber EURACTIV.

„Es dürfen keine Helikopterprojekte sein. Das ist ja gerade das, was man den Chinesen vorwirft, dass sie mit Infrastruktur-Großprojekten klotzen, die dem Allgemeinbürger allerdings wenig Mehrwert bieten“, fasste Bullmann zusammen.

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